Newsletter August 2021

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Gewerbemietrecht (BGH, Urteil vom 03.03.2021 – XII ZR 92/19)

(Vollständigkeitsklausel in einem Mietvertrag über Geschäftsräume – mündliche Nebenabreden)

Sachverhalt:
Die Vermieterin hat Geschäftsräume in einem historischen Postgebäude vermietet. Der Mietzweck ist der Betrieb einer Tagespflegeeinrichtung. Der Mietvertrag hat auszugsweise den folgenden Inhalt:

„§ 3 Zustand der Mieträume

Die Räume werden durch den Vermieter vor Mietbeginn frisch renoviert wie abgesprochen (…)

§ 14 Sonstiges

1.Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht.
2.Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.“

Die Mieterin behauptete verschiedene Mängel des Mietobjekts und zahlte zu keinem Zeitpunkt die vollständige Miete. Die Vermieterin hat auf Zahlung von etwa 43.000 € geklagt.

Ein Streitpunkt war die Verglasung der Fenster. Die Fenster haben eine Einfachverglasung. Die Mieterin ist der Ansicht, dass eine Doppelverglasung vertraglich geschuldet sei. Unter Zeugenbeweisantritt hat die Mieterin behauptet, die Vermieterin habe vor Vertragsschluss mündlich versprochen, dass sämtliche Fenster mit einer zusätzlichen Verglasung ausgestaltet und im Übrigen vollständig aufgearbeitet werden sollten.

Das OLG Dresden als Berufungsgericht war der Ansicht, dass die Parteien vielmehr in § 14 Nr.1 des Mietvertrags bestätigt haben, dass mündliche Nebenabreden zum Vertrag nicht bestünden. Selbst wenn es eine solche mündliche Zusage gegeben hätte, wäre sie deswegen nicht Vertragsbestandteil geworden und würde die Vermieterin nicht binden. Das OLG Dresden hat daher eine Mietminderung wegen der Einfachverglasung abgelehnt, ohne den angebotenen Zeugen zu hören.

Entscheidung:
Der BGH sieht dies anders und verweist den Rechtsstreit zurück an das OLG Dresden.

Denn sogenannte Vollständigkeitsklauseln („Mündliche Nebenabreden bestehen nicht“, „Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen“, „Mündliche Nebenabreden existieren nicht“) richten sich – gleich ob sie als AGB in den Vertrag einbezogen oder individuell ausgehandelt sind – auf die Bestätigung der Tatsache, dass der schriftliche Vertrag alle zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Vertragsgegenstands enthält. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass solche Klauseln lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsurkunde wiedergeben, jedoch dem Vertragspartner, der sich auf eine abweichende mündliche Vereinbarung berufen will, die Führung des Gegenbeweises offenlassen.

Vertragsparteien wollen mit einer Vollständigkeitsklausel nur eine Tatsache bestätigen, aber nicht ihrem Willen Ausdruck verleihen, vorvertraglichen Absprachen schlechthin die Wirksamkeit zu nehmen.
 

Autor: Arne Carstens, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Immobilienkaufmann (IHK)




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